Lennart Pfahler
Am 22. Oktober gerät eine Gruppe schwarz gekleideter Demonstranten in Berlin mit Polizisten aneinander. Die jungen Männer und Frauen gehören zum "antikapitalistischen Block" der Klimastreik-Demonstration von Fridays for Future (FFF). Sie tragen ein Banner mit "Kapitalismus zerschlagen" und zünden Leuchtfeuer. Eine Frau wird festgenommen.
Bei FFF sorgt diese Freitagsdemo für Diskussionen. Sympathisanten der Ultralinken erheben Vorwürfe gegen führende Köpfe der Bewegung. Die Rede ist von mangelnder Solidarität mit dem sogenannten Schwarzen Block. Vor der Auseinandersetzung mit der Polizei habe es von den Organisatoren Versuche gegeben, "antikapitalistische Perspektiven aus dem Klimastreik zu drängen", schreibt ein Frankfurter Aktivist auf Twitter. Für ihn ist das "ein Desaster".
Die Auseinandersetzung ist symptomatisch für den Richtungsstreit in der noch jungen Bewegung, ein bürgerliches konkurriert mit einem antikapitalistischen Lager. Die einen wollen das Wirtschaftssystem umbauen, schneller heraus aus der fossilen Energie. Die anderen liebäugeln mit einem kompletten Umsturz, sie halten den Kapitalismus an sich für die Ursache von Klimawandel und sozialer Ungerechtigkeit. Seit der Gründung von FFF vor gut drei Jahren prägen zwar gemäßigte Stimmen das öffentliche Bild. Doch intern geben Personen wie Luisa Neubauer längst nicht mehr allein den Ton an. Teile der Bewegung kooperieren mit linksextremistischen Kräften.
Das zeigte sich nur wenige Tage nach der Klimademonstration auf der Konferenz "Gerechtigkeit Jetzt" in Berlin. Unter den Ausrichtern war neben FFF auch die Interventionistische Linke (IL). Laut Bundesamt für Verfassungsschutz verfolgt die IL das Ziel, den Kapitalismus zu überwinden, "verstanden als untrennbare Einheit von demokratischem Rechtsstaat und marktwirtschaftlicher Eigentumsordnung". Bei einer Pressekonferenz mit FFF-Sprecherin Carla Reemtsma gab Ronja Weil, Aktivistin des ebenfalls beteiligten Bündnisses "Ende Gelände", den Ton für das Treffen vor: "Wir haben ein Problem in diesem Land. Das Problem sind die Superreichen."
Über mehrere Tage hinweg gab es dann Veranstaltungen mit Überschriften wie "Capitalism kills", "Intersektionale Kampagnen"oder "How To Blow Up A Pipeline". Letzteres ist der Titel eines Buchs von Andreas Malm. Der schwedische Aktivist propagiert darin eine zweigleisige Strategie für die Klimabewegung: Während Gemäßigte mit Politikern verhandeln, verüben Radikale Sabotageakte gegen die klimaschädliche Infrastruktur - auch, indem sie Pipelines sprengen. Konkrete Überlegungen dieser Art sind aus der deutschen FFF-Sektion zwar nicht bekannt. Sprecherin Reemtsma kündigte jedoch kürzlich eine "Radikalisierung der Aktionsformen" an. Auf Nachfrage von ZDF-Talkmaster Markus Lanz fügte sie vielsagend hinzu: "Es können noch weitere Aktionen des zivilen Ungehorsams folgen."
Damit schlägt die Bewegung offensichtlich einen Weg ein, den "Ende Gelände" längst geht. Die Anti-Kohle-Aktivisten blockieren Tagebau-Anlagen und geraten häufig mit dem Gesetz in Konflikt. Der Berliner Verfassungsschutz beurteilt die Gruppierung als "linksextremistisch beeinflusst", mittlerweile soll hier die IL maßgeblich den Ton bestimmen.
Droht dem Schülerprotest ein ähnliches Schicksal? Der Extremismusforscher Udo Baron beobachtet eine fortgeschrittene Unterwanderung. "Hatte sich Fridays for Future zunächst erfolgreich gegen eine Vereinnahmung durch die Interventionistische Linke gewehrt und ihr beispielsweise in Hamburg 2019 noch untersagt, eine Marschsäule der FFF-Demonstration zu bilden, so ist in der jüngsten Zeit eine verstärkte Einflussnahme und Kooperation nicht zu übersehen", sagt der Politikwissenschaftler im Gespräch mit WELT. Die IL biete der Klimabewegung Unterstützung bei der Organisation und Durchführung von Protesten an, zudem trete sie als Mitveranstalter auf.
Wie bereitwillig junge Klimaaktivisten Unterstützung von extremistischer Seite annehmen, wurde im Wahlkampf offensichtlich: In der ZDF-"Wahlarena" mit CDU-Kandidat Armin Laschet trat eine 15-jährige Hamburgerin von FFF auf, die sich nach eigenem Bekunden von einer führenden Aktivistin der IL hatte coachen lassen. Ihr gab Emily Laquer, die 2017 den von Randale begleiteten G-20-Protest für die IL mitorganisiert hatte, via Twitter den Rat: "Mach ihn fertig." "Unübersehbar findet in jüngster Zeit eine Radikalisierung innerhalb der Klimaschutzbewegung statt", fasst Forscher Baron zusammen. Es müsse damit gerechnet werden, "dass sich Fridays for Future unter dem zunehmenden Einfluss der Interventionistischen Linken auch für gewaltsame Lösungen öffnet".
Extremismusforscher Udo Baron beobachtet eine Unterwanderung der Klimabewegung durch Ultralinke.